Das Dorf

Das Dorf  Jarek

von  Inge Morgenthaler (geb. Schmidt)


(Quelle:  Batschki Jarak, Jarek, Festschrift zur 150 Jahrfeier von J. Schmidt, et al., Werbas 1937)


J
arek
wurde im Jahr 1787 von 80 evangelischen Familien mit ca. 300 Personen als letzte der 7 Josephinischen Siedlungen in der Batschka, im heutigen Serbien gegründet. Die Siedler kamen während des 3. und letzten sog. “Schwabenzuges“ (1782 - 1787) vorwiegend aus dem süddeutschen Raum, aus Hessen, der Kurpfalz, der Pfalz, dem Elsass und aus Baden und Württemberg.

Josef II. setzte die Ansiedlung der von den Osmanen während der sog. “Türkenkriegen“ verwüsteten Gebiete im Südosten des Österreich-Ungarischen Reiches fort, die von seinem Großvater Karl VI. und seiner Mutter Maria Theresia begonnen worden waren. Während des 1. und 2. Schwabenzuges waren ausschließlich katholische Siedler ins Land geholt worden.

Beim 3. Schwabenzug durften ab 1782 auch evangelische und reformierte Kolonisten den Weg “nach Ungarn“ einschlagen.

In den Monaten vorher hatten Werber die Bedingungen des Josephinischen Ansiedlungspatents (“Link zu: Josephinisches Ansiedlungspatent”) überall in den von andauernden Kriegen heimgesuchten süddeutschen Ländern verkündet und Ansiedler angeworben. Allerdings nahm man nicht jeden, sondern die Bewerber sollten einen Geldbetrag von 300 bis 1.000 Gulden mitbringen, bevor sie einen Pass bekamen und ausreisen durften. Sie reisten von Ulm oder Regensburg aus in “Ulmer Schachteln“ oder “Kelheimer Plätten“ bis Wien. Bis dahin mussten sie ihre Reise selbst finanzieren. Ab Wien wurde die Reise von der Staatskasse bezahlt.

Bild 1 - Landkarte des ehemaligen Jugoslawien mit Serbien und der Vojvodina
(im Jahr 2006).

Bild 2 - Luftbild vom heutigen Bački Jarak, Gemeinde Temerin,
in Serbien, in der Provinz Vojvodina, ca. 20 km nördlich
von deren Hauptstadt Novi Sad (dem früheren Neusatz).

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Im Ansiedlungspatent war genau aufgelistet, was jede Kolonistenfamilie bekommen würde. Im Vergleich zu seiner Mutter und seinem Großvater war Josef II. sehr tolerant und großzügig.

So kamen also die 300 evangelischen Personen der Augsburger Konfession im Frühjahr 1887 aus Ruma nach Jarek, (“Link zu: Winter in Ruma”) 15 km nördlich von Neusatz (Novi Sad), wo sie mit dem Bau ihrer Häuser anfingen. Ihre Gemarkung (Hotter) umfasste ca. 1800 Joch Feld auf einem Gelände, das der kaiserlichen Hofkammer gehörte. In einem ”Urbarial Contract”, ausgestellt von der Hofkammer, den jedes Familienoberhaupt unterschreiben musste, wurden die Rechte und Pflichten genau festgelegt. Anfangs waren die Jareker Freibauern, die keinen Zehnt abgeben und keinen ”Robot” (Frondienste) leisten mussten. Im Jahr 1796 kaufte Graf Nikolaus von Szecheny die Herrschaft um 80.000 Gulden und die Jareker fielen in die Leibeigenschaft.

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Der Hotter bildete ein Dreieck, das im Süden vom Neusatzer Hotter, im Norden und Osten aber von der kleinen und großen Römerschanze begrenzt war. Auch die Lage des Dorfes direkt an der Grenze zum Neusatzer Hotter erschwerte die Ausdehnung.

Bild 3 - Der Hotter (Gemarkung) von Jarek zur Zeit der Ansiedlung im Jahr 1787
(rot eingerahmt) und die Dorf-Bebauungs-Grenzen (blau eingerahmt).

Nach den Plänen des kaiserlichen Kammeral-Ingenieurs Josef Kiss, der alle josefinischen Siedlungen in gleicher Weise angelegt hatte, glich das Dorf einem Schachbrett mit drei Längsgassen in NO/SW Richtung und einer Quergasse.

Die mittlere und breiteste der 3 Längsgassen war die Hauptgasse. Sie war in Jarek ca. 14 Klafter (1 Wiener Klafter entspricht 1.89 m) breit und durch sie lief die Fernstraße Novi Sad - Stari Becej. Parallel dazu verliefen die Wassergasse im Westen und die Spitalgasse im Osten, die jede ca. 11 Klafter breit waren. Die Kreuzgasse teilte das Dorf in 2 Hälften. Dort lagen anfangs keine Hausplätze.


Entlang der 3 Gassen wurden für die 80 Familien jetzt 96 Hausplätze ausgemessen, von denen jeder 15 Klafter (ca. 30 Meter) breit und 50 Klafter (ca. 100 Meter) tief (lang) war. In der Spitalgasse blieben 4 Plätze frei und in der Hauptgasse waren es 12. Die freien Plätze im Zentrum des Dorfes waren für die öffentlichen Gebäude, die Kirche, die Schule, das Gemeindehaus, das Pfarrhaus und das Herrschaftswirtshaus reserviert.

Am Rande des Dorfes im Anschluss an die Gärten in der Spital- und Wassergasse befanden sich die ”Tretplätze”, auf denen ”getreten” (gedroschen) wurde. Die ”Hutweide” (Allmende) reichte vom Dorfrand bis zur nördlichen Hottergrenze.

Ferner erhielt jeder Bauer eine halbe oder eine viertel Session mit Winter oder Sommerfrüchten angebaute Äcker, nebst dazugehörigen Wiesen. Die Saatfrüchten mussten zurück gezahlt werden.

Die Professionisten (Handwerker) bekamen zur Anschaffung ihres Werkzeugs 50 Gulden.”  (Johann Einmann zitiert: a. a. O., Seite 12)

Eine halbe Session waren damals: 12 Joch Ackerland, 4 Joch Wiese, 4 Joch Weide und 1 Joch Hausplatz. Eine viertel Session entsprach: 13 Joch Grund (1 Joch ist 0,578 ha)
.

Jeder Siedler bekam ein Kolonistenhaus (“Link zu: Jareker Häuser”),  das aus Lehm gestampft und mit Rohr oder Stroh gedeckt war.

Bild 4 - Ortsplan von Jarek zur Zeit der Ansiedlung im Jahr 1787 (a. a. O. Seite 15).


Wie sah das Dorf nun aus? Die Häuser lagen mit dem Giebel zur Straße direkt an einem gepflasterten Gehweg, an den sich ein breiter Grünstreifen anschloss. Hier wuchsen Linden- und Kastanien-, später dann Maulbeerbäume. Neben dem Grünstreifen verlief ein Graben und dann folgte die Straße.

Die Hauptstraße war die Fernstraße und sie war daher entsprechend breit. Die Spital und Wassergasse waren genau so angelegt, nur waren die Straßen und die Grünstreifen etwas schmäler. Der Graben verlief hier in der Mitte des Grünstreifens.

Bild 5 - Hauptstraße von Bački Jarak im Jahr 2006
(in Höhe von Haus Nr. 143 mit Blick Richtung Temerin).

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Die Dorferweiterung

Bis 1820 nahm die Bevölkerung durch Geburtenzuwachs, Zuwanderung aus anderen Kolonistendörfern und Nachzügler aus dem süddeutschen Raum stetig zu, so dass Graf Szecheny als Grundherr eine Dorferweiterung beschloss.


Er ließ eine weitere Quergasse, die Neugasse, anlegen. Hier waren die Hausplätze naturgemäß kleiner. Die Besitzer wurden aber ebenfalls mit einem Urbarial-Contrakt vom Grafen ausgestattet und bekamen auch ein Stück Hutweide (Allmende) Gleichzeitig erfolgte aber bereits die erste Abwanderung in umliegende serbische Gemeinden, z. B. nach Katsch (Kac) und Gospodjinci, der noch viele andere folgen sollten.

Trotz dieser Maßnahmen reichten die Hausplätze für die anwachsende Bevölkerung immer noch nicht aus. Daher wurde noch im gleichen Jahr (1820) der ehemalige Cholera Friedhof, der mittlerweile als Baumgarten genutzt worden war, ebenfalls in 8 Hausplätze aufgeteilt und verkauft. Vier Monate später war der “Füllerstand“, die ehemaligen “Grundlöcher“ an der Reihe. Hier entstanden 18 Hausplätze.

Bis 1822 war die Bevölkerungszahl trotz Abwanderung auf ca. 1.000 Personen angewachsen, als man beschloss, eine neue Kirche zu bauen. Sie sollte das alte Bethaus von 1791 ersetzen, das inzwischen viel zu klein geworden war.

Sie wurde im spätbarocken Stil errichtet und am Sonntag nach Gallus im Oktober 1823 eingeweiht (“Link zu: Kirche”). Im Jahr 1946 wurde sie von den Partisanen gesprengt.

Das nächste Ereignis in der Gemeinde war der erste große Brand im Jahr 1834, dem die Häuser in der Neugasse zum Opfer fielen. Die gesamte Neugasse brannte ab, denn die mit Rohr gedeckten Häuser brannten wie Zunder.

Die große Katastrophe des Dorfes aber ereignete sich im Revolutionsjahr 1848, als sich die ungarischen Aufständischen unter Ludwig Kossuth von Österreich lostrennen wollten. Es entstand ein Kampf, der fast 2 Jahre dauerte. In seinem Verlauf wurde Jarek am 31. August 1848 angezündet und brannte völlig nieder. Nur die Außenmauern der Kirche blieben stehen. Da auch die gesamte Ernte verbrannte, waren die Jareker nun bettelarm und flüchteten panikartig in die Gemeinden Kleinker, Torschau, Werbas und Schowe.

Erst 2 Jahre nach der so genannten “Ausreiß“ kamen sie zurück und begannen ihr völlig zerstörtes Dorf wieder aufzubauen.

Über die Bauweise der neuen Häuser ist wenig bekannt. Jede Familie musste aber von der Staatskasse eine Schuld zwischen 80 und 200 Gulden aufnehmen, die bis 1860 einschließlich Zinsen zurück zu zahlen war. (Halb-Sessionisten: 200 Gulden, Kleinhäusler und Handwerker: 80 - 100 Gulden).

Bekannt ist nur, dass die Schuld nicht bis zum vereinbarten Zeitpunkt getilgt werden konnte. Aus diesem Grund mussten alle Einwohner gemeinsam für die Schuld bürgen und im Jahr 1863 einen summarischen Schuldschein unterschreiben.

Wenn man davon aus geht, dass alle Einwohner nach ihrer Rückkehr 1850 am “Nullpunkt“ anfangen mussten und gewaltige Schulden hatten, ist es erstaunlich, dass schon im Jahr 1860 das Dorf wieder erweitert werden musste. Der Aufbauwille und der Mut unserer Vorfahren waren schon bewundernswert.

Die Tretplätze im Anschluss an die Gärten der Spitalgasse wurden umgelegt und es entstand die Ochsengasse (die spätere Elisabethengasse).

Im Jahr 1881 war der Rahmen der Gemeinde abermals zu eng geworden und jetzt wurden die Tretplätze im Anschluss an die Wassergasse vermessen und umgelegt, die Rudolfsgasse entstand (nach Kronprinz Rudolf benannt).

Obwohl immer wieder junge Leute abgewandert waren, reichte der Platz immer noch nicht aus und im Jahr 1885 erfolgte die größte Abwanderung in der Geschichte der Jareker in die neu entstandene “Tochtergemeinde“ Budisava (Waldneudorf, Tiszakalmanfalva).

Die Gemeinde war langsam zu Wohlstand gekommen, so dass man im Jahr 1903 beschloss das alte Gemeindehaus, das nach dem Brand im Stil eines Langhauses erbaut worden war, durch ein repräsentatives, schönes Gemeindehaus zu ersetzen.

Es wurde in U-Form gebaut und steht an der Kreuzung: Hauptgasse und Kreuzgasse gegenüber dem Platz, auf dem einst die Kirche errichtet worden war. Den Bauauftrag erhielt Anton Diener. Im Jahr 1904 wurde es der Gemeinde übergeben. Es kostete 12.540 Kronen. Dieses Haus ist neben dem Pfarrhaus, das auch von Anton Diener im Jahr 1899 erbaut worden war, das einzige öffentliche Gebäude, das in Jarek noch erhalten ist.

Bild 6 - Das Gemeindehaus mitten in Backi Jarak im Jahr 2006,
(erbaut 1904 von Anton Diener) ist auch heute noch,
wie einst schon, ein architektonisches Schmuckstück . . .

Bild 7 - . . . und gegenüber: das einstige evangelische Pfarrhaus
(1899 ebenfalls von Anton Diener erbaut),
ebenfalls im Jahr 2006 inzwischen als Wohnhaus genutzt
(links daneben stand die Kirche).

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Die letzte große Erweiterung des Dorfes geschah im Jahr 1907. Auf dem Gelände der Pfarrer-Hutweide. Am Dorfausgang in Richtung Temerin entstand auf der rechten Seite das Neudorf mit 2 Straßen, der Maulbeerengasse und der Kirschengasse.

Innerhalb des bestehenden Dorfes wurden im Laufe der Jahre verschieden Schulgebäude errichtet, die nach den Lehrern genannt wurden, die darin unterrichteten: die Heinz-Schule, die Wild-Schule und die Bloser Schule. Heute steht keine einzige mehr.

Im Jahr 1921 wurde die “neue Mühle“ fertig gestellt, die von der Verkehrs-genossenschaft erbaut worden war. Sie liegt am Dorfausgang in Richtung Temerin auf der linken Seite. Heute ist darin ein Futtermittelbetrieb untergebracht.

Im Jahr 1937 errichtete die Hanfgenossenschaft eine Hanffabrik, in der Nähe der Bahnschienen, die im gleichen Jahr ihren Betrieb aufnahm.

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Ortsplan von Jarek (im Jahr 1944)

Ortsplan von  Jarek  (im Jahr 1944)

Bild 8 - Der Ortsplan von Jarek im Jahr 1944 (nicht eingenordet /
Norden ist Richtung links oben), gezeichnet von Franz Fuderer (+).

(Zur genauen Anzeige der Gassen und Grundstücke:
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In den Jahren zwischen 1821 und 1931 sind aus Jarek 2.414 Personen abgewandert (in umliegende Gemeinden, nach USA, Kanada, Argentinien etc). Zum Zeitpunkt der Flucht im Jahr 1944 betrug die Einwohnerzahl ca. 2.000 Personen. Das sind zusammen ca. 4.400 Personen. Von 1805 bis 1937 (Erscheinungsjahr des 1. Heimatbuchs mit den Statistiken) betrug die Zahl der Geburten in Jarek 8.845. Wenn man von der Zahl der 300 Ansiedler ausgeht, hat sich die Bevölkerungszahl in 150 Jahren fast verdreißigfacht.

Der Grundbesitz betrug im Jahr der Ansiedlung 1.800 Joch (bzw. 1.040 ha, 1 Joch entspricht 0,578 ha). Im Jahr der Flucht besaßen die ca. 2.000 Jareker auf dem Jareker Hotter (Gemarkung) und den angrenzenden Hottern insgesamt 9.400 Joch (bzw. 5.430 ha) und 103 Salaschen (Sommerhöfe).


Jarek war wohl die Gemeinde in der Batschka, die das größte Bevölkerungs- Wachstum und auch die höchste Abwanderung aufwies. Ein Grund mag wohl gewesen sein, dass der Hotter sehr klein war und auch die Dorffläche nicht mehr erweitert werden konnte.


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Bački Jarak im Jahr 2006

 

In Jarek gab es von 1944 bis 1946 ein so genanntes “Internierungslager“, in Wirklichkeit aber ein Todeslager (Link zu: Lager Jarek”), in dem über 17.000 Donauschwaben interniert waren und dahin vegetieren mussten. Über 6.400 von ihnen kamen auf grausame und unmenschliche Weise zu Tode und wurden in Massengräbern verscharrt. Nach der “Auflösung“ des Lagers setzte man “verdiente Partisanen“ in die leeren Häuser, deren Nachkommen z. T. heute noch darin wohnen. Man hat auch viele alte Häuser abgerissen und zwei neue auf jedes Grundstück gestellt. In den drei ältesten Straßen (Hauptgasse, Wassergasse und Spitalgasse) stehen noch einige der schönen, mit Stuck verzierten, Bauernhäuser (Link zu: Jareker Häuser”), in der Rudolfsgasse und in der Elisabethengasse nur noch wenige. In den Gärten zwischen der Hauptgasse und der Wassergasse gibt es eine neue Straße, die bis in die Neue Gasse hineinführt und beidseitig bebaut ist. Auch zwischen der Hauptgasse und der Spitalgasse wurde eine neue Straße angelegt, die von der Kreuzgasse bis zur Neuen Gasse führt.

Nach dem letzten Balkankrieg kamen viele Serben aus den Kriegsgebieten und siedelten sich hier an. Die Bevölkerungszahl ist inzwischen auf über 8.000 angewachsen. Backi Jarak gehört heute zu Temerin. Es wurde eine schöne, orthodoxe Kirche gebaut, ebenso eine neue große Sporthalle, sowie eine große Schule (mit Europäischen Finanzmitteln). An der Stelle, wo einst die Kirche stand, steht heute ein Supermarkt. Das Dorf hat sein Gesicht sehr stark verändert und in wenigen Jahren wird nichts mehr daran erinnern, dass Jarek einmal eines der schönsten Dörfer in der Batschka war. (
Link zu: Jareker Häuser”
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(Quelle: Batschki Jarak, Jarek, Festschrift zur 150 Jahrfeier von J. Schmidt, et al., Werbas 1937)

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